Tabakanbau in Deutschland: Alles Wissenswerte
06.11.2022

Tabakanbau in Deutschland: Alles Wissenswerte

Die meisten Menschen denken beim Thema Tabakanbau wohl zuerst an Länder wie China, Kuba, Brasilien oder Amerika - zu Recht, doch wissen viele gar nicht, dass auch in unserem heimischen Deutschland die Tabakpflanze und deren Tabakblätter eine 400 Jahre lange Tradition vorzuweisen haben.

Tabakanbau in Deutschland: Informationen und Historie

Noch bevor die ersten Europäer im heutigen Amerika Fuß gefasst hatten, wurde dort der Tabak schon lange in religiösen Kulturen und zur Heilung von Krankheiten eingesetzt. Christoph Kolumbus brachte die Tabakpflanze Ende des 15. Jahrhunderts mit nach Europa.
Es wird angenommen, dass der Tabak durch die Hugenotten, die um die 1570er Jahre aus Frankreich flüchteten, seinen Weg in die Pfalz und somit nach Deutschland gefunden hat. Als Erstes fand der Tabak in der Medizin sein Anwendungsgebiet, anschließend wurden die Blätter von der oberen Gesellschaftsschicht in Pfeifen geraucht. Ab da wurden die Tabakpflanzen immer populärer, bis im 18. Jahrhundert der Schnupftabak und Anfang des 19. Jahrhunderts die Zigarre in Mode kam. Letztendlich wurde 1881 die maschinelle Zigarettenherstellung in den USA erfunden und eroberte 1912 den deutschen Markt mit 11,5 Milliarden produzierten Zigaretten.


Doch warum hatten sich die Deutschen zum Anbau von Tabak entschieden? Aufgrund der hohen Nachfrage nach Tabakprodukten, Tabaksorten, Devisenmangel und Einfuhrbeschränkungen des Staates sowie hohe Flächen- und ausreichende Arbeitsproduktivität für kinderreiche Familien trafen viele den Entschluss Tabak anzubauen, da die Pflanzung trotz der damit verbundenen hohen Kosten ertragreich war.


Zur Pflanze an sich gilt es zu wissen, dass sie einjährig, nicht winterhart und ein Selbstbestäuber ist. Sie hat behaarte und leicht klebrige Blätter, die Farbe ihrer Blüten reicht von weiß bis rot, sie sind fünf-lappig und nachts in der Regel geöffnet, während sie tagsüber geschlossen bleiben. Insgesamt gibt es 70 Arten an Tabak, doch in Deutschland wird lediglich Virgin Tabak (Nicotiana tabacum) angebaut, welcher eine Vielzahl an Tabaksorten hergibt. Virgin Tabak ist eine Pflanzenart der Familie der Nachtschattengewächse und stellt wirtschaftlich die größte Bedeutung dar, da sie die benötigte Sorte ist, um die geliebten Zigaretten, Zigarren und Pfeifentabake im Anbau herzustellen.

Der Trocknungsprozess

Früher wurden die geernteten Blätter in einem Holzschuppen aufgehängt, um ihnen so in einem wochenlangen Prozess per Lufttrocknung die Feuchtigkeit zu entziehen. Doch in der Tabakbranche ist der technische Fortschritt deutlich zu spüren, denn heutzutage wird die Ernte in Trocknungsöfen gegeben und verliert in einem Eiltempo riesige Mengen an Feuchtigkeit. Nur noch 10% des Ursprungsgewichts bleibt nach dem Trocknungsprozess übrig, da der Rest Wasser und somit nach der Ernte verdampft ist.

Negative Aspekte des Tabakanbaus

Leider gehen mit dem Tabakanbau negative Aspekte einher. So zum Beispiel, dass die Tabakpflanze dem Boden so viele Nährstoffe entzieht wie kaum eine andere Pflanze. Es werden weltweit zahlreiche Gebiete entwaldet, um dort nur 2 Ernteperioden lang Tabak anzubauen, da dies länger nicht möglich ist. Bauern müssen sich dann nach neuen Anbauflächen umsehen, was als Folge wieder die Entwaldung und somit Erosion und Verödung einher bringt. Doch dem Tabakanbau ist es in den letzten Jahren gelungen immer effizienter zu werden, bei gleichem Platzbedarf. So konnte zum Beispiel in den Jahren 1990-2004 einen Anstieg der durchschnittlichen Jahreserträge an Tabakblättern von 12,4 % verzeichnen, ohne die dafür benötigte Fläche für den Anbau zu erhöhen.

Die Geschichte der Marke Roth-Händle

Die badische Tabakmanufaktur wurde um 1870 gegründet und ist seit 1897 in das deutsche Markenregister eingetragen. Sie hatte innerhalb Deutschlands einen schnellen Aufstieg und wurde während der Nazizeit staatlich stark gefördert. Vor allem bekannt war die Marke Roth-Händle durch ihren dunklen Tabak und der damit einhergehenden Stärke, welche ihr auch die Spitznamen "Lungentorpedo", "Lungenzäpfchen", "Toth-Händle" oder "Roter Tod" verdanken.
Seit 1957 befindet sich die Firma Roth-Händle nicht mehr unter deutscher Leitung, sondern wird unter dem Dach des riesigen Tabakkonzerns Reemtsma vertrieben.

Wo in Deutschland wird Tabak angebaut?

Mit ca. 1800 ha und 39% der Gesamtanbaufläche ist Baden-Württemberg das größte Anbaugebiet. Darauf folgen Rheinland-Pfalz mit ca. 1200 ha (26%), Bayern mit knapp 770 ha (16%) und Brandenburg mit ca. 320 ha (7%).
Die restlichen 12% sind auf die restlichen Länder aufgeteilt und somit von geringer Bedeutung für den Anbau.

Was sind die bekanntesten Tabakanbaugebiete in Deutschland?

Das bekannteste Tabakanbaugebiet in Deutschland ist Hatzenbühl, denn dort wurde laut der überlieferten Ortsgeschichte 1573 der vermutlich erste Tabak in Deutschland angepflanzt. Dies soll im Pfarrgarten vom Pfarrer Anselm Anselmann geschehen sein, nachdem die Hugenotten, so die Vermutung, um 1570 herum aus Frankreich flüchteten und die Kenntnisse des Tabakanbaus und das dazu benötigte Saatgut mit in die Südpfalz brachten.
Aufgrund der vielen Tabakfelder vermarktet sich die Südpfalz mit dem Gefühl von "ein bisschen Kuba". Im Vergleich zu Kuba fehlt der Südpfalz allerdings das türkise Meer und die tropischen Klimaverhältnisse, aber dafür sei hier der Anbau der Pflanzen "kontrolliert von A bis Z".

Kann man die Tabakanbaugebiete in Deutschland besuchen?

Sollten Sie das Bedürfnis verspüren, die Welt des Tabakanbaus einmal mit eigenen Augen zu sehen, können Sie dies zum Beispiel in der Südpfalz tun. Dort lädt Ernst Wünstel, Sohn eines Tabakbauern und pensionierter Maschinenbauingenieur, nach Hatzenbühl auf seinen Tabakrundweg ein, denn "in [seiner] Jugend lebte das ganze Dorf vom Tabak". Dort hat im 16. Jahrhundert alles begonnen und wird nun anschaulich für Besucher dargestellt.
Während des knapp 2 Kilometer langen Spaziergangs erhalten Sie intensive Eindrücke durch Demo-Pflanzungen, historische Schuppen, die zum Trocknen der Blätter verwendet wurden und verschiedenen Schautafeln.
Ist Ihnen das nicht genug, besteht die Möglichkeit "Klein-Kuba", wie die Südpfalz auch genannt wird, auf einem 40 km langem Radweg zu erkunden, welcher über Hatzebühl führt und die Orte Mörlheim und Hayna miteinander verbindet. Allein in Hayna können Sie etwa 100 offiziell erfasste Trockenschuppen betrachten.

Kann man Tabakpflanzen selbst anbauen?

Der private Tabakanbau ist in Deutschland legal und außerdem steuerfrei, solange Sie dies ausschließlich für den privaten Gebrauch, und nicht für gewerbliche Zwecke tun. Das positive ist, dass die Tabakpflanze nicht aufwändiger ist als andere Garten- und Nutzpflanzen auch, doch das Herstellen von Rauchwaren aus dem geernteten Tabak erweist sich als deutlich schwieriger. Um ein fertiges Produkt zu erhalten, bedarf es einiger Expertise und vieler Wochen bis Monate Sorgfalt und Geduld. Belohnt wird die Mühe mit einer naturbelassenen Alternative zur Massenproduktion, da dort oftmals Weichmacher, Aromen und sonstige Zusatzstoffe der Pflanze beigemischt werden.

Klein aber fein

Auch wenn der Tabakanbau im Laufe der Zeit von früheren 30.000ha auf jetzige 4.600ha geschrumpft ist und nicht mehr die Bedeutung hat, wie im 19. Jahrhundert, bleibt der Anbau doch zumindest als Nischenprodukt ein fester Bestandteil der deutschen Kultur und wird immer noch mit viel Hingebung und Leidenschaft betrieben.